Bettina Bruns

Über mich

Eigentlich habe ich schon immer gesungen.

Als Kind auf meinem Pferd (eine weitere große Leidenschaft meines Lebens), bei immerwährendem Gegenwind auf dem Fahrrad (absoluter Bestandteil meiner friesischen Herkunft) und natürlich unter der Dusche, was bei der großen Wiederholungsgefahr (Dona Nobis Pacem in Endlosschleife!) meinen Vater in den Wahnsinn trieb.

In meiner Familie wurde viel Klassik gehört; es gab einen Plattenspieler im Wohnzimmer, und als mich die EUROPA Märchenplatten zu langweilen begannen, wandte ich mich dieser Abteilung zu.
Zwischen Beethoven und Schubert fiel mir etwas Neues in die Hände.  Allein das Gesicht der porträtierten Frau auf der Plattenhülle war von großer Schönheit; ich fand gleich, sie sähe ganz und gar wie meine Mutter aus, was mich natürlich noch mehr interessierte. Als Maria Callas‘ Gesang nun das nachmittägliche Wohnzimmer ausfüllte, wusste ich sofort, dass hier etwas Ungewöhnliches am Werke war. Ich hatte den unmittelbaren Impuls, mich hinter einem Sessel zu verstecken und war im selben Augenblick in Liebe überwältigt von den starken Emotionen in ihrer Stimme.
Später sollten noch viele weibliche Heroinen meine Jugend begleiten, darunter Nico, Diamanda Galás, Joni Mitchell, Nina Simone, Christa Ludwig und viele, viele andere. Bis heute schwärme ich für die Schönheit, Stärke und Ausdruckskraft der weiblichen Stimme in ihrer ganzen Bandbreite.

Selbstverständlich war es in meiner Familie keine Option, eine musikalische Ausbildung anzustreben. So sang ich fröhlich weiter und schrieb mich gleichzeitig für ein Biochemiestudium an der Freien Universität in Berlin ein. Dass es mit diesem sehr interessanten Studium und mir nicht viel werden konnte, stellte sich rasch heraus. Das Labor war zu klein für meine Stimme, und ich begab mich auf die altersgerechte Suche nach Entfaltungsmöglichkeiten.

Der folgerichtige nächste Schritt führte mich an die Hochschule für bildende Künste nach Hamburg. Mich faszinierte das Experimentieren mit meiner eigenen Stimme. Es war ein großer Glücksfall, dass in dieser Zeit die Performancekünstlerin Marina Abramović dort lehrte und mich als Studentin aufnahm. Uns beide verband die Leidenschaft für Maria Callas, was mich noch mehr zur Arbeit mit der Stimme inspirierte. Die Entscheidung stand bald fest. Ich werde klassische Sängerin.

Ich liebe Gesangslehrerinnen! Es ist ein großes Glück, so vielen interessanten Persönlichkeiten begegnet zu sein und bis heute noch weiterzulernen.
Ernst genommen hat mich trotz meiner ungewöhnlichen Laufbahn Prof. Sabine Kirchner von der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg.
Meine Lehrerin fürs Leben wurde Ruthild Engert-Ely in Berlin. Eine großartige Sängerin, Pädagogin und Freundin, an die ich jeden Tag denke. Sie starb viel zu früh am 5. Mai 2013. Heute begleitet mich die wunderbare Mezzosopranistin Regina Jakobi.

Aus dem prägenden Hörerlebnis wurde eine Lebensbeschäftigung.
Der Gesang ist mein Beruf, die Offenheit für andere Kunstformen meine Bereicherung.

Berlin, im Mai 2021